Über den Wert eines Hauses kann man streiten. Oder ihn durch einen unabhängigen Experten bestimmen lassen. Vor allem bei Erbschaften, Scheidungen oder Eigenheimkäufen ist eine kompetente Bewertung viel Wert. Thomas Müller, Immobilienbewerter aus Sempach und Inhaber der Erimas Immobilien GmbH, erklärt im Interview, wie er dabei vorgeht.

Sie bestimmen den Wert eines Hauses. Wie macht man das?

Als erstes muss ich die Absicht des Kunden kennen: Warum und wofür will jemand den Wert wissen? Je nachdem, ob ich den Wert bei gleichbleibender Nutzung, bei einem Umbau oder unter Berücksichtigung eines Wohnrechts bestimme, kann dieser sehr unterschiedlich sein.

Gibt es bei Ihnen also den Wert nach Wunsch?

Auf keinen Fall, nein. Aber das ist natürlich ein Dilemma: Deckt sich der geschätzte Wert nicht mit den Vorstellungen der Kunden, drohen Reklamationen. Würde ich den Wert aber nach ihnen richten, erwiese ich einen schlechten Dienst. Der Verkauf einer zu hoch geschätzten Immobilie würde sich endlos in die Länge ziehen, bis der Preis zwei- oder dreimal nach unten korrigiert wird. Realistisch betrachtet schade ich den Kunden massiv, wenn ich nicht von Beginn weg reinen Wein einschenke. Da braucht es Mut zur Wahrheit, auch wenn der Kunde König ist.

Hand aufs Herz: Ein Ehepaar lässt sich scheiden, die eine Person bleibt im Haus, die andere zieht aus, und schon streitet man sich über dessen Wert. Lassen Sie sich da nicht auch mal von Ihrem Auftraggeber beeinflussen?

Nein. Ich hatte gerade neulich diese Situation. Da wollte der Mann einen tiefen Wert, weil er das Haus weiter bewohnt, und die Frau einen hohen, weil sie für ihren Anteil ausbezahlt wird. Ich bin da neutral und mache auch keine Kompromisse, damit beide zufrieden sind. Ich mache keine Gefälligkeitsgutachten.

Wie gehen Sie denn bei einer Bewertung vor?

Es gibt einen Augenschein vom Objekt. Ich betrachte die Räumlichkeiten, beurteile den Zustand des Objekts, der Haustechnik und dokumentiere allfällige erkennbare Schäden. Weiter beurteile ich die Attraktivität der Lage. Wie wird sich das Gebiet verändern? Anschliessend stelle ich verschiedene Berechnungen an, beurteile die Lebensdauer der einzelnen Bauteile und die Höhe der nötigen Investitionen für die anstehende Erneuerung. Dann erarbeite ich zuhause ein umfangreiches Gutachten.

Was ist Ihnen bei einer Bewertung besonders wichtig?

Deren Nachvollziehbarkeit. Meine Schätzungen sind immer transparent, ausführlich begründet und plausibilisiert. Auch ist es mir wichtig, keinen Zahlensalat für Fachidioten zu liefern, sondern eine nachvollziehbare Erklärung für Laien, damit meine Kunden die Vorgehensweise auch verstehen können.

Was kostet eine Bewertung?

Das ist abhängig vom Objekt und fängt bei rund 1’900 CHF an.

Das ist ganz schön teuer.

Nicht wenn man berücksichtigt, wie wichtig eine verlässliche Bewertung ist, gerade wenn es um hohe Beträge geht. Es gibt zwar auch billige computergestützte Standardbewertungen ohne Besichtigung, und manche Makler bieten gratis, kostenlos Immobilienbewertungen an, weil sie auf die Verkaufsprovisionen setzen. Dadurch kann der Wert jedoch sehr ungenau oder verfälscht werden. Für eine verlässliche Bewertung ist es zentral, dass der Experte unabhängig und neutral ist sowie die Bewertung transparent und nachvollziehbar.

Wie können Sie dies sicherstellen?

Ich habe kein eigenes Interesse an der Immobilie, das ist zentral. Weiter ist bei mir jede Bewertung individuell auf das Objekt und die Situation abgestimmt. Als Architekt habe ich ausserdem den Vorteil, dass ich nötige Investitionen abschätzen kann. Und schliesslich kenne ich nach zwanzig Jahren das Baugesetz des Kantons Luzern fast auswendig, womit ich auch das Potenzial bei Umbauten oder Sanierungen abschätzen kann. Das ist für Kunden oft sehr hilfreich.

Dieser Artikel erschien am 10.01.2019 als Immobilientipp in der Sempacher Woche.